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vergnügliche Lektüre: "Der Sommer mit Pauline"

Der Sommer mit Pauline von Ivan Calbérac ist ein vergnügliches Buch mit dem 15jährigen Émile als Protagonist. Wie es schon im Titel heisst, ist die um ein Jahr jüngere Pauline wichtig, Émiles erste Liebe.

Es ist ein hartes Kontrastprogramm zu meiner vorigen Lektüre "Laufen" von Isabel Bogdan. Die (Wort-)Witze jagen sich nur so, und jedesmal muss ich innehalten. Bin ich immer noch den langsamen Flow von "Laufen" gewöhnt? Wo bringt der Autor diese Witze alle her? Hat er ein Team hinter sich? Schreibt er jeden Geistesblitz auf eine Karteikarte, sammelt sie im Karteikasten und wenn er ein neues Buch schreibt, guckt er dann da drin nach? Es sind keine platten Witze, sonst würde ich drüberlesen, nicht innehalten.

Auf S. 84 etwa, Émile sinnt über Einsamkeit nach:
Paare können sich wenigstens scheiden lassen und der zweisamen Einsamkeit offiziell ein Ende machen, aber beim Familienleben ist selbst der Europäische Gerichtshof machtlos.

Kurz vorher - ein paar Zeilen oben drüber, auf derselben Seite - sinnt er über eine ältere Lehrerin nach:
Hoffnung stirbt zuletzt, aber bei ihr hängt die Hoffnung schon am Beatmungsgerät.

So geht das zu in dem Buch, Émile ist ein offener, lebensfreudiger Mensch, der begierig seine Umwelt beobachtet und sich mit ihr auseinandersetzt. Reichlich Stoff zum Auseinandersetzen bekommt er mit Pauline, seiner ersten Liebe, da sie aus einem völlig anderen Elternhaus stammt als er. Und so nimmt der Roman seinen Lauf.

Es ist anscheinend auch verfilmt worden, doch das ging an mir vorbei (ich lese zwar immer die Plakate an unserem Programmkino im Vorbeifahren, wenn ich in der Strassenbahn sitze, aber ich bin nicht so die Kinogängerin). Ich kann also zur Verfilmung nichts sagen. Aber das Buch ist gut. Ich kann nur nicht einordnen, ob das ein Erwachsenenbuch über Jugendliche oder ein All-age-Buch ist.

Nachtrag vom 05.03.2020:
Mir war das mit dem Klamauk doch zuviel. So habe ich die letzten 50 Seiten nur überblättert und heute das Buch wieder abgegeben.


schöne Lektüre: "Laufen"

Laufen ist ein schöner Roman über Trauerbewältigung, geschrieben von Isabel Bogdan. Die Protagonistin startet ein Jahr nach dem Suizid ihres Lebensgefährtin das Projekt "Laufen". Laufend und dabei im inneren Monolog stehend, von den zarten, holprigen Anfängen des Wiedereinstiegs bis hin zu längeren Läufen von einer Stunde, kommt sie immer mehr ins Leben zurück.
Ein berührender Roman, ohne rührselig zu sein, so erinnert er doch an eigene Trauermomente und -phasen und dass es eben okay ist, zu trauern, nicht immer parat zu stehen, zu funktionieren. Zum Leben gehört die Trauer dazu.

Carolin Emcke kommt nach Heidelberg

Sie kommt am 05. April ins Theater zu einer lecture performance "Ja heisst Ja und ...", also im Rahmen der #MeToo-Debatte.

#MeToo, das gilt auch für mich. Lange war mir das nicht bewusst, weil es Frauen waren, die heftigst zugeschlagen haben, nicht Männer. Ich war nie auf die Idee gekommen, dass es Frauen stören könnte, wenn Frauen ihren (normalen) Weg gehen. Wenn sie für sich selbst einstehen, wenn sie in Freiheit leben wollen und das für sich (und andere) reklamieren.

Im Falle der Familie, also im Falle meines Vaters, waren (vllt. sind) das die entsetzlichen Frauen um ihn rum, die Wahlverwandtschaften in der Regel. Was da alles so (heiss) geredet wurde, das weiss ich nicht. Der Ausbruch meiner Schwägerin 2016 auf meinem alten Blog hat da einiges offenbart. Für mich überraschend, denn sonst lief alles hintenrum ab. Ich hatte vorher nichts gewusst. Ich dachte immer, ich hätte es mit meinem Vater zu tun (und der wiederum sei einfach gaga).

Im Falle eines der Vereine (ein Orchester), in dem ich mal war, ist auch ein Mann vorgeschoben worden vor die Machtgelüste einer oder mehrerer traditioneller Frauen (ich wusste auch nicht, dass es traditionelle Frauen gibt, schon allein der Begriff). Auch da weiss ich nicht, was mir alles vorgeworfen wird.

Eines ist mir klar geworden: Die Gewalt wurde in einen roten Mantel aus Romantik gesteckt. Immer wurde abgezielt auf meine (angebliche) Beziehung zum jeweiligen Mann. Deswegen wurde nie (ordentlich) mit mir darüber geredet (jedenfalls von den Täter*innen und Mitläufer*innen nicht). Jetzt, durch das Gedankenkuddelmuddel, das die bevorstehende lecture performance in mir auslöst, wird mir das klar.

Hach, Beziehung, ein heikles Thema! Ein Frauenthema!? (Siehe das Buch "Abschied vom Märchenprinz".) Mit so vielen Mythen besetzt, Wünschen, Begierden, Tabus, gebrochenen Tabus, ...
In beiden Fällen meine ich als Grundlage bei mindestens einer Täterin sex. Missbrauch zu erkennen. V.a. im zweiten Fall, bei dem Orchester. (Das verquere, angstbesetzte Verhältnis zu Männern ist nur gar zu deutlich.). Ja, das hat mir den Blick auf die patriarchalen Strukturen verwehrt, diese Sicht, auf diese (mächtigen) Narrative.

Bin gespannt auf Carolin Emcke.

destruktive Lektüre

Oder: Wie verderbe ich es mir am Besten mit meinen Mitmenschen?

Der Klappentext verspricht "natürlich" anderes:
Nett sein war gestern, es ist Zeit für die Rhetorik-Disziplin der Extraklasse – schwarz, provokant und garantiert erfolgreich, um sich mal ganz egoistisch durchzusetzen, ob in Beruf oder Familie.


Hier müsste der Verlag - ähnlich wie bei Medikamenten das: "Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" - schreiben: "Bei Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Psychotherapeuten, Seelsorger, ..."

Es geht um das Buch "dunkle Rhetorik" von Wladislaw Jachtchenko, als Taschenbuch erschienen bei Goldmann (ich habe es oben verlinkt).

Eine Anweisung, wie man sich den letzten liebenswerten Rest in sich selbst verdirbt.

Satz der Woche

Der Satz der Woche stammt von einem guten Kollegen (er hat ihn schon länger getan, aber das wird mein Leitsatz für die nächste Zeit). Er ist beinharter Realist, sehr logisch und hat einen köstlichen Humor.

Über kurz oder lang, gehn die Dinge ihren Gang.


Aus der Kategorie: Wie das Leben so spielt.