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Verschwörungspraktiker

Piri schreibt auf ihrem Blog von ihrer Nachbarin, die Verschwörungstheoretikerin ist. Ganz klassisch diese Frau mit Hetzrede, Lügenpresse, Missionierung, ... Da hatte ich doch mal eine tolle Website zum Thema aufgetan, dachte ich. Dachte ich, bei Piri in einem Kommentar hinterlassen.

Ihr Artikel hat Eindruck bei mir hinterlassen, sodass ich nochmal in diese tolle Website veritas reinlese, in die Tipps. Ich habe das schon ein paar Mal gemacht, lange vor Piris Posting. Und dachte mir so irgendwie, dass mein Vater (von dem ich es hier mittlerweile schon oft hatte) ins Schema passt. Wobei ich ihn nicht einfach als Theoretiker bezeichnen würde, sondern als Verschwörungspraktiker, denn er war Aktivist.

Mich trieb auch die Frage um, wieso er das gemacht hat. Auf veritas werden drei dahinterstehende Bedürfnisse aufgeführt:
1) Existenzielle Bedürfnisse: das Streben nach Kontrolle und Sicherheit.
2) Epistemische Bedürfnisse: der Wunsch, die Welt um sich herum zu verstehen.
3) Soziale Bedürfnisse: das Streben danach, von anderen positiv wahrgenommen zu werden.

Das kann ich für meinen Vater voll unterschreiben. Und weiter ging das Kuddelmuddel im Kopf.

Ich bin dann wieder zu den Tipps, zu den Literaturempfehlungen. Dank Stadtbücherei habe ich mir eines davon gleich mal ausgeliehen. Von Ingrid Brodnig das Buch Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern - in der Familie, im Freundeskreis und online.

Ein Drittel habe ich bis jetzt gelesen und es gefällt mir sehr gut. Bringt mir das Thema gut nahe. Angst sei oftmals die Triebfeder (während ich das schreibe, denke ich an Angela Merkel, die mal meinte, Angst sei ein schlechter Ratgeber), und mein Vater war ein sehr ängstlicher Mensch.

Aber auch andere Sachen stehen darin, wie etwa der Missionsgedanke, der die Verschwörungstheoretiker oft antreibt. Sektenähnlich könne es werden, steht in dem Buch. Das trifft sich mit dem, was ein Freund über meinen Vater und sein Umfeld sagt, dass es wie eine Sekte gewesen sei. Und ich denke weiter, zu so manchen Christen, die doch einigermassen elitär denken, vom Missionsgedanken beseelt, denen man auch nicht zuhören kann. (Für letzteres würden mich bestimmt manche schlagen, würden sie es lesen. Aber hey, ich habe meine Lebenserfahrung!)

Ingrid Brodnig macht Mut, dass man diesen Schwurblern peu à peu auch raushelfen kann aus diesem Schwurbel. Sehr interessant. Es geht nicht von heute auf morgen. Wie es hinein eine Entwicklung ist, so ist es raus eine Entwicklung.
Das deckt sich mit den Erzählungen eines Bekannten von mir, der es raus aus dieser "Szene" geschafft hat. Und das offen zugibt und erzählt.
Piri, die weiterhin mit ihrer Nachbarin Kontakt halten will, kann ich nur Mut machen. Ich finde es toll, dass sie sich da engagieren will. Klar, der Erfolg, falls er kommt, kommt nicht über Nacht, aber sie kann ein Stein sein, der der Nachbarin weg von der Abstrusität in die Normalität verhilft.

Und was mache ich mit meiner z.T. schräg aufgesetzten Verwandtschaft (sind nicht alle schräg aufgesetzt, es gibt auch sehr gute)? Das wird sich zeigen. Erstmal lese ich dieses Buch. Dann vielleicht befrage ich sie, denn langsam interessiert es mich schon (wenn auch noch nicht übermässig), was mich da jahrzehntelang so überfahren hat. Wieso andere sich dieses Gift reingezogen haben. Wieso sie wollten, dass ich regelrecht Scheisse bin. Ich kann mich an einen Verwandten der Lebensgefährtin meines Vaters erinnern, der sehr erstaunt war, als ich ihm mit kräftigem Händedruck begegnet bin (ob ich ihn erreichen würde zum Interview, weiss ich nicht, denn ich kenne nur seinen Vornamen und den Ort, wo er wohnt). Meine Güte, was muss dieses feine Paar über mich abgelassen haben! Aber dass man sich dieses Gift auch noch reinzieht, statt dem Einhalt zu gebieten! Unfasslich.

Ein Schwank aus meiner Jugend: Tennis

Aus aktuellem Anlass (den Anlass verschweige ich, ich würde sonst jemanden (einen netten Menschen) blossstellen - das geht nun gar nicht) grabe ich einen Schwank aus meiner Jugend aus. Ich habe heute so zurückgedacht und mich dann irgendwann gefragt, wenn mich jemand darum bittet, zu erzählen (so anekdotisch zu erzählen), dann würde ich das folgende ausgraben:

In meiner Jugend waren Steffi Graf und Boris Becker ganz gross und räumten ab. Ganz Deutschland im Tennis-Fieber, gefühlt x Millionen Trainer und (ehemalige) Spieler. Mein Vater gehörte auch dazu. Sass wie gebannt vor dem Fernseher.

Einmal "fachsimpelte" (Ihr seht schon an den Gänsefüsschen, was ich davon hielt) er mit irgendeinem Bekannten über Boris Becker und Tennis und meinte, er beobachte das ja schon lange, ...
Hörte sich beeindruckend an. Nur: Er sass wirklich nur vor dem Fernseher, hatte sich nie zu einem Turnier bequemt (es wäre ihm nie auch nur im leisesten in den Sinn gekommen), hatte auch gar keine wie auch immer gearteten Connections, kaufte sich halt Tag für Tag seine heissgeliebte BILD und versumpfte vor dem Fernseher.
Mein Bruder und ich waren nicht angetan, von seiner Haltung nicht und auch nicht vom Tennis. Und doch: Wieder und wieder mussten wir ihm die Tennisregeln erklären. Ihm, dem Experten. Wir, die Tennis-Ignoranten. Er kannte sie nicht und vergass sie sofort wieder.

Ihr könnt Euch denken, dass ich froh und dankbar bin, mittlerweile mit ganz "normalen" Leuten zu tun zu haben. Mit Leuten, die man so (an-)nehmen kann wie sie sind und nicht um 10 Ecken denken muss.

Erleichterung durch Leidensgenossinnen.

Eine Freundin meinte letztens zu mir: "Du, was Du von Deinem Vater erzählst, das kenne ich, das verstehe ich. Meiner ist genauso." Und irgendwann sind wir in einen Austausch geraten. Es tut uns beiden gut, nicht alleine zu stehen. Dieses Ding, dass es einem nach einem Kontakt noch tagelang schlecht ist (eine andere Freundin erzählte letztens, dass sie sich nach einem Kontakt immer für einen Tag krank melden musste). Dass einem nichts anderes übrig bleibt, als sich zu trennen. Dass keiner kapieren wolle, dass das eine Notlösung ist. Das impliziert gleichzeitig, dass man immer vorgeworfen bekommt, wie man anständigerweise mit seiner Familie umzugehen habe. Und so weiter und so fort.

Ich habe meinen Vater immer für gaga gehalten, mittlerweile habe ich gelernt, dass es sich da um Narzissmus handelt. Ich kenne mich damit nicht aus (will mich in die Materie nicht mehr reinknien), aber Narzissten gibt es doch angeblich so viele. Wieso hat sich nie (ausser einem Freund aus Studientagen, den ich seit den Studientagen nicht mehr gesehen habe) einer geäussert, dass er das kenne? Wird da so viel im Stillen gelitten?

Gleichzeitig wird mir immer klarer, dass ich meiner verstorbenen Mutter sehr viel Gutes zu verdanken habe. Sie ist gegen diesen Narzissten hingestanden wie eine Eins, hat ihn Mores gelehrt. Einmal meinte sie doch glatt, dem zeige sie, wo es lang ginge, das mache ihr jetzt Spass (nach irgendeiner depperten Aktion von ihm).
Da muss man erstmal hinkommen, das war viel Leiden bis dahin. Und es ist die Entscheidung für sich selbst, sich nicht korrumpieren zu lassen. Egal, wer da was sagt. Denn so einer wie mein Vater, die versuchen immer, einen in Misskredit zu ziehen. Selbst wenn man ein Engel, ein Heiliger wäre, würden sie einen noch mit Dreck bewerfen (lassen).

Vielleicht schreibe ich im Laufe der Zeit noch mehr drüber (eigentlich wollte ich das trübe Thema sein lassen), aber in diesem Lichte betrachtet (weil es so viele von diesen Menschen gibt), mach ich das vielleicht doch. Vielleicht hilft es dem einen oder der anderen. Ich bin kein Helfer, habe auch kein Helfersyndrom, aber ich finde, was solche schlimmen Menschen betrifft, muss man zusammenstehen.

Ideologie

Ideologie ist nichts für mich. Ich weiss nicht, ob ich christlich ideologisch bin. Wahrscheinlich eher nicht, zu kritisch und kein Musterkind sein wollend. Man braucht eine gewisse Gelassenheit sich selbst gegenüber.

Das erste Mal, dass ich gelernt habe, dass Ideologie nichts für mich ist, nicht mit mir vereinbar ist, das sind die Hardcore-Anthroposophen. Das ist so elitär (und noch anderes), damit kann ich nichts anfangen. Ich bin dem mehrmals im Leben begegnet, das ist für mich nicht integrierbar. (Ich glaube, ich hab's mal im Blog thematisiert, aber das ist schon lange her.)

Was ich auch nicht integriert bekomme, das ist die Ideologie der Nazis. Hoho, grosses Wort und sowas Böses, das sollte selbstverständlich sein, dass das nicht geht.
Stimmt nicht, wenn ich das richtig sehe, hat mein Vater das geliebt. Seit ich endlich kapiert habe, wo das bei ihm herkommt und dabei immer mehr enträtsele, wird mir immer leichter. Ich hatte den Mann ja nie verstanden zeit seines Lebens und konnte immer nur auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Es war so mühselig und so dermassen belastend mit ihm, dass ich es auch immer wieder im Blog thematisiert habe. Auf Herrenmenschentum, wahrscheinlich basierend auf dem Kondensat der Gestapo, bin ich einfach nicht gekommen. Der Herr war ein Fail, kein Grund, sich was auf sich selbst einzubilden.

Stimmt schon, dass er nach meinen Maßstäben ein Fail war, aber ich denke, auch nach Herrenmenschenmassstäben. Himmel, er konnte/wollte sich nicht mal seinen Kaffee, den löslichen, selbst machen. Das musste immer - gleich einem Ritual - seine Schwester für ihn tun (auf die er runtergeguckt hat). Es ist eigentlich kein Hexenwerk, sich Wasser auf dem Herd heiss zu machen, denn der Wasserkessel pfiff, wenn das Wasser darin kochte.

Falls das jemand liest, der die beiden gekannt hat und meint, er müsse mir widersprechen, dass er auf seine Schwester runtergeguckt hat: Es wurde mit angeblichen Sachargumenten hantiert (wie so oft, wenn Hass und Herabwürdigung im Spiel sind), aber die miese Einstellung, die er ihr gegenüber hatte, die schien überall kräftig durch. Sie war ihm lästig mit ihrer Eigenwilligkeit, Eigenständigkeit. Keine Barmherzigkeit, keine Begegnung auf Augenhöhe, kein Auf-sie-Zugehen, kein Miteinander, ... Stattdessen die angeblich objektive Aburteilerei. (Sie war mit Grund frühberentet, das als Anmerkung.)

In Zukunft sollte ich mir - wenn ich mit jemandem nicht klar komme - mir auch die Frage nicht nur nach seiner Einstellung, sondern nach seiner Ideologie stellen. Das hatte ich bisher nicht im Fokus. Es ist nicht nur das, was einer hat, sondern seine allgemeine Einstellung, die das Leben mit ihm/ihr sehr schwer machen kann.

Trübsinn, Du mein Vergnügen.

Es ist jedesmal dasselbe: Habe ich eine Erkältung, grippaler Infekt oder wie auch immer krank, werde ich trübsinnig und fange an zu grübeln und sinnieren, v.a. über meine Familie. Doch: Das bringt nichts! Meine Familie war/ist wie sie war/ist (ich meine, ich weiss hinreichend bescheid, da muss ich nichts mehr herausfinden), etliche sind schon längst gestorben, die anderen lassen mich in Ruhe. Ich brauche diese Grübelei nicht. Und doch ...

Wie geht es Euch, wenn Ihr Mailaisen habt? Verfallt Ihr dann auch dem Trübsinn? Ich habe ein bisschen im Freundeskreis herumgefragt. Es soll noch mehr Leute geben, die so reagieren wie ich.