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Kultur will gepflegt sein.

Kultur jedweder Art will gepflegt sein. Kultur fällt nicht vom Himmel, aber es ist das, was uns Menschen bekömmlich miteinander leben und uns wachsen lässt.

Mir geht es hier um Unternehmenskultur. Zur Zeit lese ich ein Buch mit dem treffenden Titel Warum soll es nach Plan laufen, wenn es keinen Plan gibt? von Jörg Neumann, erschienen im Redline-Verlag. Der Titel fasst eine häufige Firmenunkultur treffend zusammen. Mir geht bei der Lektüre ein Leuchter nach dem anderen auf und ich denke, ich hätte mich schon früher darum kümmern sollen!

Jetzt verstehe ich, warum meine Gemeinde (eine Freikirche), so gesund ist, warum ich so gerne dabei bin, warum sich viele so gerne engagieren. Das kommt alles nicht von ungefähr, denn wir haben eine Unternehmenskultur (ich sollte vllt. von Vereinskultur reden, aber da denkt man sofort an Humptata, Stammtisch und Bierkrüge), die beständig gepflegt wird.
Wir haben tolle Leute bei uns, die ich sehr gerne mag. Engagiert, motiviert, mit Interessen, jeder Einzelne eine Persönlichkeit. Ausserdem stehen sie positiv im Leben, ohne dem Schlechten gegenüber ignorant zu sein. Nein, sie haben die Augen offen und geben sich da rein.

Adieu Lieblingscafé.

Es ist über Corona nicht verschwunden, mein ehemaliges Lieblingscafé. Es blüht und gedeiht nun umso mehr. Es ist schon lange beliebt (schon vor Corona), aber jetzt scheint es zum absoluten In-Treff geworden zu sein. Lauter Jung-Coole sitzen da rum (auch wenn so mancher nicht mehr so jung ist, aber coolio), es ist ganz schwer, einen Platz zu finden.
Ich fühl mich nicht mehr wohl, da gehöre ich nicht (mehr) rein. Die Gespräche sind oft seltsam. Wie, kann ich nicht beschreiben, ich hatte tunlichst weggehört und jetzt sind sie meinem Gedächtnis entschwunden. Werden wohl etwas gestelzt gewesen sein, (etwas) Herzlichkeit wird gefehlt haben, (etwas) Mit-Menschlichkeit.

Ich werde zu einem anderen Café wechseln, in das ich immer gerne ging. Jetzt freue ich mich, dass es eine neue Pächterin hat. Eine sehr sympathische, herzliche, flotte. Kleine Küche, aber gut, mit viel Liebe und Kreativität. Sieht man auch am Geschirr. Ich weiss nicht, ob sie es ganz einwechseln wird, aber ein Teil des Geschirrs wurde durch Vintage-Geschirr ersetzt! Das wirkt so liebevoll.
Nicht nur die Pächterin hat gewechselt in der Corona-Zeit, auch im Publikum hat sich was verändert. Das Stamm-Publikum erkennt sich (es sind nicht wenige), begrüsst einander kurz, sagt kurz Tschüss zum Abschied. Ganz unaufdringlich, unprätentiös, anerkennend.
Mag ich.

Vintage-Teller
Vintage-Teller im Café.

Manfred Lütz in SWR1 Leute

Diesen Herrn habe ich letztens kurz als Schnipsel - so als Nachklapp - im Radio gehört (nicht in der eigentlichen Sendung). Da sagte er, dass Trump kein Narzisst, nicht psychisch gestört, sondern schlicht unmoralisch sei.
Weil es Julia auffiel, dass zur Zeit keine Rede von Trump mehr ist - sie hat es getweetet - wurde ich an diesen Radioschnipsel erinnert. Und wollte mehr. Bin tatsächlich auf die Sendung / den Podcast auf Youtube gestossen, in der er das ganz am Anfang gesagt hat.
Der Podcast dauert eine ganze Stunde, und ich habe auch wirklich immer und bis zum Schluss zugehört, was mir sonst schwer fällt.
Manfred Lütz ist nicht nur fundiert und erfahren, er ist auch lustig. So kann man gut zuhören.

Zurück zum Anfang: Herr Lütz ist dagegen, dass man alles und jeden pathologisiert. Klar, man kann hinterfragen, was einen Mörder antreibt. Klar, es können auch psychisch Kranke einen Mord begehen. Doch die weitaus grössere Zahl an Verurteilten, Mordenden sind Normalos, keine psychisch Kranken.
Den Ansatz finde ich gut. Ich selbst bin seit einigen Jahren dazu übergegangen, lieber umgangssprachliche Wörter zu finden als fachspezifische, die ich eh nicht beherrsche.

Manfred Lütz wendet sich auch gegen Ferndiagnosen und begründet, warum. Denn ein Mensch könne sich in der Öffentlichkeit - oder was davon zu sehen ist - ganz anders verhalten als im Zwiegespräch.

Er bringt auch ein eindringliches Beispiel, wie die angebliche Diagnose (Alkoholismus) gar nicht die Ursache ist, sondern bedingt ist durch einen Hirntumor, der zuerst behandelt werden muss, dann kann man weitersehen (so wurde das auch gemacht).

Der Podcast ist gut und es kann sein, dass ich ihn nochmal höre. Bzw. mir die ein oder andere Publikation des Herrn zu Gemüte führe (die Stadtbücherei hat einiges von ihm im Regal).

Hospizgedanken

Der Podcast Camino von hr2 trägt diesmal den Titel An der Seite der Verzweifelten - Seelsorge in der Pandemie. Viele Seelsorger:innen kommen zu Wort, auch aus der Klinikseelsorge und dem Hospiz. Dasjenige aus dem Hospiz erzählt, dass die Sterbenden nicht so sehr wünschen, auf die besondere Situation - das Sterben - einzugehen, sondern sie möchten die Banalität des Alltags erleben.

Meine Gedanken wandern zu einem längst verstorbenen Bekannten (C.), den ich im Hospiz besucht hatte. Wie hat er das erlebt, im Hospiz? Das schlussendliche Sterben? Es muss ein Drama gewesen sein, denn er hatte nie an seinen (Krebs-)Tod geglaubt. Baute im Hospiz dann doch wieder auf (die Medikamente, die ihm so zugesetzt hatten, bekam er nicht mehr, deswegen baute er zunächst mal wieder auf). Sagen durfte man nichts, er wollte nach Übersee, Urlaub machen, wenn er wieder genesen war.

Was das wohl für die Hospizbegleiter:innen war, dieser Mensch? Ja, er hat mit den anderen gebetet, hat ständig von Jesus geredet, hat Stärke verbreitet. Doch wo ist da die Banalität des Alltags? Er war eine Marke, eine knorrige Marke.

Irgendjemand hatte es ihm gesteckt, dass ich nicht an sein Überleben geglaubt habe. Huiiii, dann ging der Rambazamba aber ab (u.a. damals auf FB - an Ostern war's, das weiss ich noch)! Wie sollte ich beackert werden, von dieser Meinung (und meinem FB-Eintrag) abzurücken! So richtig manipulatorisch und hintenrum, alles andere als christlich von seinen Christenfreunden.

Im Podcast wird auch darauf eingegangen, dass Beerdigungen in der Pandemie nicht mehr so sind wie sonst. Keine Umarmung, keine Händereichung, kein gemeinsames Kaffeetrinken hinterher. Das, was so tröstet, die gemeinsame Unterstützung, die Zuwendung der Hinterbliebenen, das fehlt.
Ich würde am liebsten zum Grab von C. gehen. So in Gedanken fragen, wie das nun war für ihn im Hospiz. Nun hatte der aber eine Seebestattung! Hat sich was mit "zum Grab gehen".

Ich war während der Pandemie - vor einigen Wochen - bei einer Beerdigung. Schön war die, trotz allen Abstands. Es war deswegen so schön, weil allesamt gerne der Verstorbenen gedacht haben, die sehr tapfer im Leben war, ihre Frau gestanden hatte.
Bei C. dagegen war ich nicht auf der Trauerfeier (wegen des Rabatzes im Vorfeld).
So kann's gehen. Die eine Beerdigung trotz aller Umstände friedlich und freundlich, die andere voller Unfrieden. (Gestorben sind beide am selben - dem Krebs.)

So vergänglich alles.

Einen Schock erlebt auf Arbeit. Keine Sorge, ich werde nicht öffentlich machen, was es ist. Seltsam ist es auf jeden Fall. Die liebe Eitelkeit dürfte dahinterstecken, Selbstverwirklichungsdrang und Drang nach Anerkennung gegen alle Widerstände, und v.a. Verantwortungslosigkeit.
Dann läuft noch der Landtagswahlkampf, ein ehemaliger Schulkamerad kandidiert auch. Hört sich erstmal toll an. Wieso er nicht für die CDU antritt, das ist mir ein Rätsel. Macht Sport, statt sich um die Familie (Frau und vier Kinder) zu kümmern. Was ist am Verleugnen der Care-Arbeit so fortschrittlich?

Und ich denke mir, da gehe ich doch lieber den Freund besuchen, der gerade eine Krebsbehandlung macht. Er wird mir wieder vorreden von seinem Fussballverein. Das kenne ich, als gäbe es nichts Wichtigeres in seinem Leben. Aber er freut sich ehrlich, wenn ich komme, wenn er Besuch bekommt. Was zählt da schon Eitelkeit? Er hat nie auf der Sonnenseite des Lebens gelebt, zählt wohl in unserer Leistungsgesellschaft eher zu den Losern. Doch ehrlich, was zählt das? Er hat ein Herz! Das zeigt er. Das zählt. Mehr als alles andere.

Was wollen die anderen nur mit ihrem Ruhm, ihrem Bekanntheitsgrad, ihrem vorgeblichen Erfolg? Es bleibt so viel auf der Strecke, die Mitmenschlichkeit, das, was uns lebendig macht, zusammenhält, zuallererst.
Ich werde weiterhin auf die Begegnung von Herz zu Herz setzen. Je älter ich werde, umso mehr, umso bewusster.